Wie bereits berichtet, wurde im Februar 2022 erstmalig eine danach bis 06.2023 noch um weitere Punkte erweiterte Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde wegen des Fehlverhaltens eines Mitarbeiters und der technisch unhaltbar begründeten Verweigerung des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) im Hinblick auf die Herausgabe von für die Erstellung von Gutachten benötigten Unterlagen gestellt.
Diese Fachaufsichtsbeschwerde wurde im November 2024 beantwortet. Das LZPD ist dabei der Auffassung, einer Dienstaufsichtsbeschwerde könne abgeholfen werden, indem im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme im Wesentlichen die mit der Fachaufsichtsbeschwerde gerügten Behauptungen wiederholt werden, ohne das auch nur ansatzqweise inhaltlich auf die ausführliche Darlegung der im Rahmen der Fachaufsichtsbeschwerde gerügten Unsinnigkeit dieser Behauptungen eingegangen werden müsse.
So wird von der „Fachlichkeit“ des LZPD im Zusammenhang mit der gerügten Verweigerung der Herausgabe der zum Öffnen der Messdatensätze im Referenz-Auswerteprogramm benötigten Geräteschlüssel in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten nach wie vor wahrheitswidrig Folgendes behauptet:
“Mit den polizeilichen Schlüsseln als Passepartouts kann nicht nur eine Falldatei, sondern die Falldateien aller Messungen eingesehen werden. Eine Weitergabe der Schlüssel ist daher bereits aus rein tatsächlichen Gründen nicht angezeigt. Schlüssel die ausschließlich für den Einzelfall verwendet werden, können bei Bedarf gegen Bezahlung bei der zuständigen Eichbehörde erhoben werden. Begehren Sie als Gutachter den Schlüssel für die gesamte Messreihe, dürfte dies von einem Anspruch auf Herausgabe der gesamten Messreihe (siehe oben) abhängen. Datenschutzrechtliche Bedenken ergeben sich mithin in der Gesamtbetrachtung von Messreihe und Schlüssel. Die Entscheidung über die Herausgabe sollte mithin den Gerichten überlassen bleiben.
Bezieht sich das Ersuchen lediglich auf den Schlüssel und Passwort für eine einzelne Falldatei, dürfte der Anspruch daran scheitern, dass nicht eine bei der Bußgeldbehörde bzw. Polizei vorhandene Information, sondern vom zuständigen Eichamt erst noch zu erzeugende Daten begehrt werden. Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, dass sich die Bußgeldbehörde oder das Gericht diese Daten beschafft, um sie an den Betroffenen herauszugeben.
Wie bereits hier im Blog ausführlich dargelegt, sind die Ausführungen des LZPD grundfalsch. Niemand mit Grundkenntnissen bzgl. der bei den Geschwindigkeitsmessverfahren eingesetzten asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren könnte in der Form argumentieren wie das LZPD in ihrer Antwort auf die Fachaufsichtsbeschwerde.
Vor dem Hintergrund der technischen Absurdität der Argumentation der Polizei NRW verwundert es, dass diese Argumentation auch in einem Beschluss des OLG Zweibrücken findet. Man sollte eigentlich erwarten können, dass sich Oberlandesgerichte bei mangelnden eigenen Kenntnissen zumindest in einem Umfang beraten lassen, dass sie ihre Beschlüsse nicht mit technisch unhaltbaren Argumenten begründen.
In jedem Fall ist es bezeichnend, dass das sich das LZPD – wie alle anderen die Herausgabe der Schlüssel verweigernden Behörden auch – auf die Rechtsprechung des OLG Zweibrücken bezieht, obwohl in dem die Herausgabe bejahenden Beschluss des OLG Karlsruhe bereits darauf hingewiesen wurde, dass das OLG Zweibrücken bei seinem Beschluss „von der tatsächlich unzutreffenden Annahme ausgegangen wird, bei für die konkrete Einzelmessung erforderlichen Token und Passwort handle es sich um keine bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen, sondern um von einem zuständigen Eichamt erst noch zu erzeugenden Daten, was bedeuten würde, dass die Bußgeldbehörde die verschlüsselten Falldatensätze des Messgeräts selbst vor Erlass des Bußgeldbescheids nicht hätte prüfen können.“ Um diese schlüssige, nicht einmal technische Details berührende Argumentation nachvollziehen zu können, bedarf es nicht mehr als gesundem Menschenverstand.
Weiterhin behauptet das LZPD, der von den Eichbehörden aus nicht nachvollziehbaren Gründen mit dem Fantasiebegriff „Gutachter-Token“ (die Begriffe „Gutachter-Token“ oder Gutachter-Schlüssel“werden in keinem der technischen Dokumente zu den zugelassenen Messgeräten erwähnt) bezeichnete und dort hinterlegte Schlüssel sei ein anderer als derjenige, den die Polizei zur Auswertung der Messdatensätze nutzt. Dem ist allerdings nicht so.
Aus welchem Grund es nur einen Schlüssel geben kann, lässt sich sehr einfach erklären: sollte bestritten werden, dass die Polizei zur Auswertung der Datensätze den korrekten Geräteschlüssel benutzt hat, so muss prüfbar sein, ob die Auswertung tatsächlich mit dem korrekten Schlüssel vorgenommen worden ist. Dies bedeutet, dass eine Instanz benötigt wird, bei der der Originalschlüssel hinterlegt ist.
Bei dieser Instanz handelt es sich um die Eichbehörden, die im Hinblick auf die Schlüssel als sog. Trust-Center fungieren. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass der von den Behörden eingesetzte Schlüssel exakt entsprechen muss, der bei den Eichbehörden hinterlegt ist.
Dies wurde der LZPD gegenüber in noch sehr viel ausführlicher Form dargestellt. Das LZPD hält es aber offensichtlich nicht für erforderlich, diese offensichtlichen Sachverhalte zur Kenntnis zu nehmen, sondern behauptet in ihrer Antwort auf die Fachaufsichtsbeschwerde wie schon in ihren zuvor gerügten Schriftsätzen bar jeglicher technischer Grundlage, dass es unterschiedliche Schlüssel gäbe.
Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei dem vom LZPD beschriebenen Schlüssel, der „ausschließlich für den Einzelfall“ genutzt werden könnte, um ein Hirngespinst handelt. Die Polizei in NRW ist offensichtlich der Meinung, es sei nicht erforderlich, sich beim Fehlen einfachster technischer Grundlagenkenntnisse zumindest objektiv zu informieren. Dort wird für ausreichend erachtet, eine subjektive Meinung ungeachtet des Wahrheitsgehalts zu streuen, um die Herausgabe von Schlüsseln generell verhindern zu können. Dies gilt selbst dann, wenn das LZPD zuvor technisch fundiert auf die Fehlerhaftigkeit der eigenen Einschätzung hingewiesen worden ist.
Das LZPD ist gemessen an dem Inhalt der Antwort auf die Fachaufsichtsbeschwerde ferner der Meinung, dass die für die Erstellung von Gutachten benötigten benötigte Unterlagen nur nach einem tenorierten Beschluss herausgegeben werden könnten. Diese Auffassung wird vertreten, obwohl dem LZPD bereits seit Jahren Schriftsätze von Richtern und Richterinnen vorliegen, mit denen das LZPD darauf hingewiesen wird, dass solche Beschlüsse nach der StPO nicht vorgegeben seien und somit auch nicht gefordert werden können.
Das Amtsgericht Landstuhl hat bezüglich der gleichen Einschätzung einer Bußgeldstelle in einem Verfahren trotz Einstellung extra einen Beschluss gefasst, um festzustellen, dass dieses Vorgehen rechtswidrig ist. In dem Beschluss wird explizit darauf hingewiesen, dass es keine gesetzliche Vorschrift gibt, nach der es nur nach gerichtlichem Beschluss erlaubt wäre, bestimmte Unterlagen herauszugeben. Außerdem wird aufgezeigt, dass auch in anderen Belangen schriftliche Verfügungen und Beschlüsse selbstverständlich gleichgesetzt werden.
Das Verfahren bezieht sich zwar auf das Verhalten einer Bußgeldbehörde in Rheinland-Pfalz. Die von der dortigen Bußgeldbehörde vertretene Auffassung entspricht aber exakt derjenigen des LZPD. Auch das Verhalten des LZPD ist demnach aus diesseitiger Sicht so bewerten, wie es ein Richter des Amtsgerichts Kassel im Hinblick auf das vergleichbare Verhalten einer Verwaltungsbehörde getan hat:
Die Haltung des LZPD, gerichtlichen Entscheidungen nur dann Folge zu leisten, sofern sie der eigenen rechtlichen Einschätzung entsprechen, spiegelt ein Verhältnis von Gewaltenteilung wider, das das LZPD (neben einigen Verwaltungsbehörden) exklusiv für sich haben dürfte.