Widerruf der Einsatzerlaubnis für das Messgerät LTI 20/20 TruSpeed in NRW seit dem 09.07.2024, neu: auch in Hessen kein Einsatz mehr

Seit dem 09.07.2024 dürfen die Handlasermessgeräte des Typs LTI 20/20 TruSpeed in Nordrhein-Westfalen nach einer Verfügung des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) infolge von Messfehlern nicht mehr für amtliche Messungen eingesetzt werden. Mit Mail vom 15.07.2024 wurde auf Nachfrage von der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit mitgeteilt, dass auch in Hessen keine Messungen mit diesem Gerät mehr durchgeführt werden.

Dem Eichlabor des LZPD liegen entsprechend der telefonischen Auskunft bisher keine weiteren Informationen vor, aus welchen Gründen die Einsatzerlaubnis im Detail ausgesetzt worden ist. Aus dem Schreiben des LZPD ergibt sich lediglich, dass von einem Sachverständigen im Beisein der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) Abweichungen bei der Geschwindigkeitsmessung von 3 km/h festgestellt werden konnten. Diese Abweichungen liegen zwar noch innerhalb der Verkehrsfehlergrenze des Messgeräts (bis 100 km/h 3 km/h und bei mehr als 100 km/h 3 % des Geschwindigkeitsmesswertes), dennoch wurde seitens der Polizei NRW die Notwendigkeit gesehen, die Ursache für die Abweichungen festzustellen und die Einsatzerlaubnis dementsprechend in Nordrhein-Westfalen außer Kraft gesetzt.

Ausgehend von den Ergebnissen verschiedener Versuche, die Sachverständige des bundesweiten Verkehrsmesstechnik- Arbeitskreises durchgeführt haben, in dem auch der Verfasser dieses Blogbeitrags tätig ist, ist davon auszugehen, dass die Fehlmessungen infolge des seit Jahrzehnten bekannten, bei Lasermessverfahren möglichen Stufenprofil- oder Abgleiteffekts zustande gekommen ist.

Das Zustandekommen des Abgleiteffekts lässt sich wie folgt erklären:  Das Messgerät bestimmt die Geschwindigkeit, indem es mithilfe ausgesendeter und wieder empfangener Laserstrahlen Entfernungen misst. Die Laserstrahlen werden in fixen Zeitabständen ausgesendet, sodass das Messgerät anhand der Abstandsveränderung in der Zeit zwischen den Laserimpulsen die Geschwindigkeit ermitteln kann.

Bei der Messung kann die Situation auftreten, dass die Reflexionen nicht alle von der gleichen Stelle des Fahrzeugs stammen, weil der Laserstrahl infolge minimaler Bewegungen des Messgeräts an der Kontur des Fahrzeugs abgleitet. In einem solchen Fall kann das Messgerät u. U. eine größere Abstandsveränderung zwischen den Einzelmessungen detektieren, als sie tatsächlich stattgefunden hat. Dies würde zur Anzeige eines zu hohen Geschwindigkeitswerts führen.

Dass solche Effekte prinzipiell möglich sind, ist seit Jahrzehnten allgemein bekannt.  Die für die Zulassung der Messgeräte zuständige Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) hatte nämlich bereits Mitte der Neunzigerjahre bei der ersten Generation der Handlaser-Messgeräte eine modifizierte Software für die damaligen Handlaser-Messgeräte zugelassen, durch die schon damals mögliche Abgleiteffekte ausgeschlossen werden konnten.

Es verwundert insofern, dass auch bei einem aktuellen Messgerät bei der Nullmessung, d.h. dem Anmessen eines in Ruhe befindlichen Fahrzeugs oder Gegenstands, Geschwindigkeiten von bis zu 2 km/h auffällig wurden. Wie das obige Video zeigt, konnten bei der  Durchführung einer Nullmessung auf ein um die Hochachse leicht verdrehtes Hinweisschild als Ziel sogar Geschwindigkeitsanzeigen von 4-6 km/h erzeugt werden. Bei den Versuchen war das Messgerät mit einer leichten Schwenkbewegung entlang der Kontur des Schildes bewegt worden.

Es ist somit festzuhalten, dass solche Effekte durch verschiedene Sachverständige im Rahmen von einfachen Versuchen erzeugt werden konnten. Es entsteht daher der Eindruck, dass die PTB ihre Versuche im Rahmen der Zulassung der Messgeräte  selbst bei Kenntnis möglicher Fehlerquellen nicht in dem Umfang und Anzahl durchführt, wie es zum Ausschluss zumindest bereits bekannter Fehlermöglichkeiten erforderlich wäre.

Dies ist gerade bei Messsystemen kritisch zu sehen, die keinerlei Möglichkeiten einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle bieten. Von einer Richtigkeit des Messwerts kann bei den Handlaser-Messgeräten nur dann ausgegangen werden, wenn angenommen wird, dass durch die Zulassung des Messgeräts die Messsicherheit gewährleistet werden kann. Dies ist bei dem Messgerät LTI 20/20 TruSpeed nach dem jetzigen Stand aber eben nicht sichergestellt. Das Messgerät LTI 20/20 TruSpeed würde sich damit in die Reihe der Messgeräte eso ES3.0 und LEIVTEC XV3 einreihen, für die ebenfalls nachgewiesen werden konnte, dass die Versuche im Rahmen der Zulassung nicht ausreichend waren, um die Messsicherheit unter allen alltäglichen Situationen sicherzustellen.

Die jetzige Situation beim Messgerät LTI macht erneut deutlich, wie wenig sinnvoll die in juristischen Kreisen weitverbreitete Auffassung ist, man könne bei einem standardisierten Messverfahren allein aufgrund der Zulassung, Eichung und dem Betrieb entsprechend der Gebrauchsanweisung von einer Messrichtigkeit ausgehen. Die Messfehler belegen vielmehr erneut, dass auch im standardisierten Messverfahren eine  technisch fundierte Prüfmöglichkeit oder zumindest eine aussagekräftige Plausibilisierungsoption unbedingt erforderlich wäre.

Der ADAC hat im Rahmen umfangreicher Versuche zu Handlaser-Messgeräten bereits im Jahr 2005 festgestellt, dass es dringend anzuraten sei, die Handlaser-Messgeräte mit Dokumentationseinrichtungen auszurüsten. Dies wäre bei dem LTI-Messgerät problemlos möglich, da das Messgerät mit Dokumentationseinrichtung in anderen Ländern über eine eigene Zulassung verfügt.

Der Zulassungsinhaber hat allerdings bei einem Besuch in Österreich im Jahr 2021 mitgeteilt, dass er nach Rücksprache mit der Polizei in Deutschland darauf verzichtet habe, eine solche Zulassung hier zu beantragen. Die Polizei habe nämlich mitgeteilt, dass sie nur an Messgeräten ohne Dokumentationseinrichtung interessiert sei.

Während der Einsatz des Messgeräts LTI 20/20 TruSpeed zurzeit in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Rheinland-Pfalz nicht zulässig ist, darf in Bayern oder Sachsen noch weiter gemessen werden. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Gebrauchsanweisung einzuhalten sei, was aber nicht mehr als eine allgemeine Voraussetzung für das standardisierte Messverfahren darstellt. Ob man von Messbeamten allerdings in jedem Fall einen in allen Punkten exakt der Gebrauchsanweisung entsprechenden Einsatz des Messgeräts voraussetzen kann, erscheint fraglich.

Aus technischer Sicht sollte ein Messgerät auf jeden Fall so gestaltet sein, dass es im realen Einsatz auch bei geringfügigen Abweichungen von der Gebrauchsanweisung noch sichere Messergebnisse liefert.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert