In diesem Blog wurde bereits im April 2022 berichtet, dass die Herausgabe der den Betroffenen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zustehenden, für die Überprüfung von Gutachten benötigten Unterlagen seitens der Polzei NRW regelmäßig verweigert werden. Dies geschieht auf der Grundlage von Verfügungen des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD), die von den Polizeidienststellen unabhängig von ihrer Sinnhaftigkeit befolgt werden müssen.
Obwohl der Behördenleitung des LZPD bereits vor deutlich mehr als zwei Jahren ausführlich erläutert worden ist, dass dessen Argumente teilweise auf nachweislichen Falschaussagen eines zuständigen Mitarbeiters und teilweise auf technisch nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehenden Begründungen fußen, ist auch 27 Monate (Stand 05/2024) nach Einreichung der Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde noch keine Änderung der Vorgehensweise herbeigeführt worden. Seitens der Behördenleitung des LZPD wurde anlässlich der Beschwerde über die Untätigkeit im April 2024 mitgeteilt, dass sie die an Sie gerichtete Beschwerde bisher nicht direkt bearbeitet hätte.
An der Praxis hat sich bisher nichts geändert. So wird vom LZPD z.B. bis heute – sogar Gerichten gegenüber – behauptet, die Polizei sei nicht zur Herausgabe des zum Öffnen der PoliScan-Datensätze erforderlichen Schlüsseldatei (sog. Token) berechtigt. Dass es sich hierbei um eine Falschaussage handelt, ist dem LZPD spätestens seit der Dienstaufsichtsbeschwerde aus dem April 2022 bekannt. Dem LZPD liegt zudem eine E-Mail des Messgeräteherstellers vor, die klar belegt, dass der Gerätebetreiber sehr wohl berechtigt ist, frei über den Token zu verfügen.
Statt Fehlbewertungen zu korrigieren, dehnt das LZPD seine Verweigerungshaltung noch auf weitere Daten/Unterlagen und Tätigkeiten aus. Das LZPD bezieht sich bei all seinem zumindest technisch größtenteils nicht ansatzweise plausiblem Vorgehen auf einen Erlass des Innenministeriums. Ein solcher Erlass (zustande gekommen auf Basis der Berichte des LZPD) existiert wohl tatächlich, die Herausgabe wurde allerdings ebenso wie die Herausgabe der LZPD-Verfügungen mehrfach verweigert, weil es sich lt. Auskunft des LZPD um „interne Dokumente“ handele. Inzwischen wurden die Verfügungen unter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW erneut angefordert.
Falschaussagen eines Mitarbeiters des LZPD erfolgen nicht nur gegenüber Sachverständigen, sondern auch gegenüber Gerichten. So hat das LZPD in einem gerichtlichen Verfahren die Verweigerung der Herausgabe des Tokens mit einem Urteil des Landgerichts Arnsberg begründet. Der Urteilstext zeigte, dass dem Urteil die (anhand von Dokumenten nachgewiesen) falsche Auskunft des LZPD zugrunde lag, die Weitergabe des Token sei lizenzrechtlich problematisch. Diese bewusste Weitergabe von Falschinformationen wurde ebenfalls gerügt. Auch hierauf erfolgte über mehr als zwei Jahre keine Reaktion der Behördenleitung.
Es entsteht hier der Eindruck, dass seitens der Leitung des LZPD selbst bei Vorliegen aller für die Bewertung erforderlichen Unterlagen keinerlei Interesse daran besteht, selbst offensichtliches und nachvollziehbar belegtes Fehlverhalten der Mitarbeiter zu überprüfen und Beschwerdeführer über das Ergebnis der Prüfung in Kenntnis zu setzen.
Hinsichtlich der Herausgabe einer Messreihe hat das BVerfG mit dem zuvor verlinktem Beschluss nicht nur allgemein darauf hingewiesen, dass ein Betroffener oder sein Anwalt zu entscheiden haben, welche Unterlagen für die Überprüfung einer Messung benötigt werden, es wurde mit einem weiteren Beschluss zudem auch klargestellt, dass ein Betroffener ein Anrecht auf den Zugang zu den Messdaten hat. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in der Sache IV – 3 RBs 82/22 festgestellt, dass die Verweigerung der Herausgabe der Messreihe an einen Betroffenen eine Verletzung des Verfassungsrechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren darstellt, sofern die Notwendigkeit der Herausgabe dargelegt wird.
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des OLG Düsseldorf wird von der Polizei Nordrhein-Westfalen beharrlich ignoriert. Messreihen werden von der Polizei selbst bei umfassendster Begründung der Erforderlichkeit der Herausgabe grundsätzlich nicht an Betroffene oder deren Verteidiger, sondern nur auf einen förmlichen richterlichen Beschluss hin dem Gericht zur Verfügung gestellt. Diese willkürliche Vorgehensweise wird selbst dann beibehalten, wenn der Polizei seitens der Gerichte mitteilt wird, dass ein solcher Beschluss nicht erlassen werde, weil die StPO einen solchen nicht vorsehe.
Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich das LZPD regelmäßig weigert, gerichtlichen Beschlüsse zur Herausgabe bestimmter Unterlagen Folge zu leisten. Auch dies wurde gerügt. Die Behördenleitung des LZPD sieht allerdings keinen Anlass, grundsätzliche Änderungen herbeizuführen. Die Behördenleitung des LZPD hält es offenbar für einen vollkommen normalen Vorgang, dass Polizeibeamte gerichtliche Beschlüsse missachten. Zumindest so lange, bis ein Gericht – wie in zwei Verfahren unter Beteiligung des Blogautors geschehen – die Beschlagnahme der Unterlagen androht, deren Herausgabe das LZPD eigenmächtig und entgegen der vorhergehenden gerichtlichen Beschüsse verweigert hat. Im Rahmen der Verfahren war es dann nach der Androhung der Bschlagnahme/Durchsuchung dann plötzlich doch möglich, die für die Bewertung der Messung erforderlichen Unterlagen trotz der willkürlichen Verfügungen des LZPD herausgegeben.
Das LZPD ist auch noch in anderen Punkten kreativ und hat sich noch weitere, sowohl dem Tenor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch den objektiven technischen Gegebenheiten sowie auch den technischen Unterlagen zu den Messgeräten entgegenstehende, technisch vollkommen sinnfreie Verfügungen erdacht und an die Dienststellen weitergeleitet.
So wird Sachverständigen zum Beispiel untersagt, den Schlüssel von eso-Messgeräten am Display abzufotografieren. In der Gebrauchsanweisung des Messgeräts ist aber beschrieben, dass es zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Signatur der Datensätze, d.h. der Prüfung der Manipulationsfreiheit, allgemein erforderlich ist, den in den Messdatensatz integrierten Schlüssel mit dem entsprechenden Schlüssel am Messgerät zu vergleichen. Auch die Möglichkeit des Abfotografierens des Schlüssels am Display ist in der Gebrauchsanweisung beschrieben. Der Vergleich mit dem Geräteschlüssel ist dabei erforderlich, um jegliche Manipulationen ausschließen zu können. Bei der Signaturprüfung im Rahmen der Auswertung wird nur mit dem an den Datensatz angehängten Schlüssel geprüft. Eine Prüfung der Authenzität des Datensatzes ist nur anhand des Vergleichs mit dem Schlüssel vom Messgerät möglich.
Gründe für das Verbot des Fotografierens sind nicht ersichtlich und werden grundsätzlich auch auf Nachfrage nicht genannt. Das LZPD entscheidet damit nicht nur entgegen den klaren Vorgaben der Gebrauchsanweisung, sondern offensichtlich erneut willkürlich. Vergleicht man (was seitens des LZPD zugestanden wird) den Schlüssel auf dem Display des Messgeräts mit dem in den Datensatz integrierten Schlüssel (der beliebig angezeigt und ausgedruckt werden kann, solange man das über das dafür erforderliche Auswerteprogramm verfügt), so hat man im Falle der Übereinstimmung den Schlüssel des Geräts schwarz auf weiß vor sich. Warum es vor diesem Hintergrund problematisch sein sollte, den somit ohnehin bekannten Schlüssel zu Dokumentationszwecken abzufotografieren, ist für Personen mit technischem Basiswissens unverständlich. Ausnahmen stellen da nur die „Fachleute“ des LZPD in Preson der Mitarbeiter der Abteilung 25.4 sowie des Datenschutzbeauftragten dar. Es erscheint bedenklich, dass solch objektiver Unsinn in Kenntnis der Unsinnigkeit von der Behördenleitung gedeckt wird.
Die – wie übliche ohne jegliche Begründung verfügte – Untersagung des Fotografierens des Schlüssels führt dazu, dass ein Sachverständiger seiner Dokumentationspflicht nicht nachkommen kann. Da eine Messung ohne den Nachweis der ordnungsgemäßen Signatur grundsätzlich technisch nicht verwertbar ist, sollte man im Falle der Verweigerung der Herausgabe des Schlüssels darauf bestehen, dass das Gericht sich in der Sitzung von der Ordnungsmäßigkeit des Schlüssels überzeugt. Dies ist in verschiedenen Verfahren bereits geschehen, indem das Gericht sich das Messgerät von einem Messbeamten im Sitzungstermin hat vorführen und sich dort den Schlüssel hat anzeigen lassen.
Auch bei anderen Geräten wird seitens des LZPD ein Zugriff untersagt. Im Rahmen eines gerichtlichen Gutachtenauftrags war bereits mit der Dienststelle der Polizei ein Termin zum Auslesen des Schlüssels an einem Radarmessgerät abgesprochen worden. Nachdem das LZPD davon Kenntnis erhalten hatte, wurde der Zugriff untersagt. Auch in diesem Fall wurde die Untersagung des Zugriffs selbst auf Anfrage nicht begründet.
Eine weitere Verfügung des LZPD bezieht sich auf die nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG vorgeschriebene Aufbewahrung aller die Tätigkeiten am Messgerät betreffenden Dokumente. Die Verkehrskommissariate der Städte Bielefeld und Münster haben auf die Anforderungen von Unterlagen im Rahmen von Bußgeldverfahren auf Basis einer weiteren Verfügung des LZPD argumentiert, dass es bzgl. der Sammlung der das Gerät betreffenden Unterlagen (üblicherweise als Lebensakte oder Geräteakte bezeichnet) keine Vorschriften bezüglich der Form der Aufbewahrung der Dokumente gäbe. Dies ist korrekt. Auf dieser Grundlage wurde seitens des LZPD dann aber verfügt, es könnten keine schriftlichen Auskünfte mehr erteilt werden und es seien nur noch mündliche Auskünfte möglich. Wie man auf eine solche Idee kommen kann und was mit einer solchen Verfügung bezweckt werden soll, bleibt aufgrund der wie grundsätzlich nicht für erforderlich erachtetenBegründung das Geheimnis des LZPD.
Da aus langjähriger Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Polizei bekannt ist, dass die die Messgeräte betreffenden Dokumente beim Eichlabor des LZPD sehr sorgfältig geführt werden, dort natürlich in schriftlicher Form vorliegen und Sachverständigen in den letzten 10 Jahren Jahre in zig Verfahren regelmäßig zur Verfügung gestellt worden sind, stellt sich die Frage, warum dies auf einmal nicht mehr möglich sein sollte. Auch hier verhindern die technisch sinnfreien Verfügungen des LZPD, dass Sachverständige ihrer Dokumentationspflicht nachkommen können.
Generell ist festzustellen, dass mit den zuständigen Mitarbeitern der Fachabteilung des LZPD kein Austausch über die zuvor beschriebenen Problematik möglich ist, da seitens der Abteilung 25.4 des LZPD und des Datenschutzbeauftragten objektive technische Gegebenheiten ignoriert werden, sofern sie der Meinung de LZPD widersprechen. Auch die wiederum mit Zustaimmung der Behördenleitung.
Zudem halten es die Mitarbeiter des LZPD regelmäßig für geboten, Gerichte über das juristische und Sachverständige über das aus ihrer Sicht einzig wahre technische Vorgehen zu belehren. Dieses Verhalten wird seitens der Behördenleitung offenbar als korrekt erachtet, da von dort trotz der seit mehr als zwei Jahren vorliegenden offiziellen und ausführlich begründeten Beschwerden nichts gegen die zumindest teilweise rechtlich und technisch unhaltbaren Verfügungen unternommen worden ist. Es scheint seitens der Leitung des LZPD die Zugehörigkeit zur Polizei als wesentliches Kompetenzkriterium erachtet zu werden und nicht die tatsächlichen Fähigkeiten zur Bewertung technischer und rechtlicher Aspekte. Und dies obwohl dem LZPD detaillierte Stellungnahmen dazu vorliegen, dass die gerade die technischen Aussagen der Fachabteilungen regelmäßig selbst allereinfachste Grundkenntnisse vermissen lassen.
So wird z.B. die Verweigerung der Herausgabe der Schlüssel für das Messgeräte PoliScan nach wie vor selbst dann verweigert, wenn die Herausgabe mit einem expliziten gerichtlichen Beschluss gefordert wird. Darüber hinaus wird von der Polizei NRW auch aktuell teilweise noch behauptet, Schulungsnachweise für das Auswertepersonal würden nicht benötigt, obwohl sich aus den Ausführungen der PTB das Gegenteil ergibt und dies dem LZPD schon vor Monaten zur Kenntnis gegeben worden ist. Dem LZPD wurde dabei ein Schriftstück der PTB übermittelt, mit dem die PTB klargestellt hat, dass unter Bedienpersonal der Messgeräte sowohl das Mess- als auch das Auswertepersonal zu verstehen ist.
Das eigenmächtige Verhalten des LZPD ging in zumindest einem Fall sogar so weit, dass eine Dienststelle von einem LZPD-Mitarbeiter angewiesen wurde, die im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren im Rahmen eines zwischen der Dienststelle und dem Sachverständigen abgesprochenen und gemeinsam durchgeführten Ortstermins erstellten Beweismittel in Form von Vergleichsmessdatensätzen zu löschen, ohne zuvor mit dem zuständigen Sachverständigen oder dem beauftragenden Gericht Rücksprache zu halten. Auch hier wurde wie üblich auch auf Nachfrage eine Begründung verweigert. Auch der Fall der willkürlichen Vernichtung von Beweismitteln ist der Behördenleitung bereits seit mehr als einem Jahr bekannt, ohne dass eine Reaktion erfolgt ist. Die diesbzgl. Dienstaufsichtsbeschwerde wurde trotz mehrfacher Nachfrage nicht einmal beantwortet.
Das sowohl in technischen als auch juristischen Kreisen nicht nachzuvollziehende Verhalten des LZPD in Form der Verweigerung der Herausgabe der verschiedenen Daten und Unterlagen bzw. der Untersagung der zwangsläufig erforderlichen Zugriffe auf die Messgeräte führt in ganz NRW inzwischen regelmäßig zu Einstellungen. Offenbar stellen sich die Entscheidungsträger beim LZPD nach wie vor nicht die Frage, ob es im Sinne der vielbeschworenen Verkehrssicherheit ist, wenn Verfahren allein aufgrund ihrer teils willkürlich erscheinenden und in vielen Fällen weder technisch noch rechtlich nachvollziehbaren Verfügungen eingestellt werden.
Obwohl die zuvor angesprochenen Sachverhalte dem LZPD mit offiziellen Beschwerden erstmalig bereits von 27 (!!!) Monaten zur Kenntnis gegebenen wurden, ist mit Ausnahme von Zwischenberichten unterer Ebenen, nach denen „geprüft“ werde, keinerlei Reaktion der Behördenleitung erfolgt. Wegen der Untätigkeit der Behördenleitung wurde Mitte April 2024 nachgefragt. Es wurde seitens der Behördenleitung mitgeteilt, dass die an die Behördenleitung gerichteten Beschwerden dort bisher nicht zur Kenntnis genommen, sondern nur auf den unteren Ebenen geprüft worden sind. Es wurde seitens der Behördenleitung inzwischen zwar zugesagt, sich der Sachverhalte anzunehmen, es wird aber keine Notwendigkeit gesehen, zumindest die auf den ersten Blick bzw. auch ohne Fachkenntnisse erkennbar unsinnigen Verfügungen sofort außer Kraft zu setzen.
Auch ist die Behördenleitung der Meinung, es bedürfte grundsätzlich einer Rücksprache mit den Fachabteilungen, bevor die Sachverhalte bewertet werden können. Diese Aussage mag im Hinblick auf komplexe technische Fragestellungen noch einigermaßen verständlich sein. Es sollte aber aus diessetiger Sicht im Interesse der Leitung einer Behörde liegen, klar belegtes und aus sich heraus zu beurteilendes Fehlverhalten von Mitarbeitern wie das regelmäßige Missachten von Gerichtsbeschlüssen, Falschaussagen gegenüber Gerichten, das Vernichten von Beweismitteln oder das ebenso willkürliche Fordern von nach der StPO nicht vorgesehenen Gerichtsbeschlüssen umgehend zu bewerten und ggfs. abzustellen.
An einer objektiven Bewertung der gerügten Sachverhalte scheint das LZPD zudem generell nicht interessiert zu sein. Es verlässt sich nämlich trotz der vorliegenden Nachweise der begrenzten technischen Kompetenz der Mitarbeiter, die die zuvor beschrieben Sachverhalte zu verantworten haben, ausschließlich auf deren technische Expertise. Es wird bei der Bewertung der gerügten Sachverhalte bewusst darauf verzichtet, technisch kompetente Fachleute heranzuziehen und sich beraten zu lassen. Offenbar gilt die Qualifikation „Polizeibeamter“ trotz vielfach nachgewiesener, selbst einfachste Grundkenntnisse vermissen lassender technischer Inkompetenz für die Leitung der Polizei in NRW als ausreichender Kompetenznachweis .