In diesem Blog wurde bereits im April 2022 berichtet, dass die Herausgabe der den Betroffenen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zustehenden, für die Überprüfung von Gutachten benötigten Unterlagen seitens der Polzei NRW regelmäßig verweigert werden. Dies geschieht auf der Grundlage von Verfügungen des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD), denen die Dienststellen auch dann Folge zu leisten haben, wenn sie die Verfügungen für unsinnig halten.
Obwohl dem LZPD auf Basis einer ausführlichen Darstellung der technischen Gegebenheiten erläutert worden ist, dass dessen “Argumente“ teilweise auf nachweislichen Falschaussagen und teilweise auf technisch nicht einmal ansatzweise nachzuvollziehenden Begründungen fußen, ist auch 15 Monate nach Einreichung der Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde noch keine Änderung der Vorgehensweise herbeigeführt worden. Es wird hier in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium noch weiter geprüft.
An der Praxis hat sich bisher nichts geändert. So wird vom LZPD z.B. bis heute – sogar Gerichten gegenüber – behauptet, die Polizei sei nicht zur Herausgabe des zum Öffnen der PoliScan-Datensätze erforderlichen Schlüsseldatei (sog. Token) berechtigt. Dass es sich hierbei um eine Falschaussage handelt, ist dem LZPD spätestens seit der Dienstaufsichtsbeschwerde aus dem April 2022 bekannt. Dem LZPD liegt zudem eine E-Mail des Messgeräteherstellers vor, die klar belegt, dass der Gerätebetreiber sehr wohl berechtigt ist, frei über den Token zu verfügen.
Statt auf die offensichtlichen Fehler zu reagieren und die offensichtlichen Fehlbewertungen zu korrigieren, dehnt das LZPD seine Verweigerungshaltung lieber noch auf weitere Daten/Unterlagen und Tätigkeiten aus. Das LZPD bezieht sich bei all seinem zumindest technisch größtenteils absurden Vorgehen auf einen Erlass des Innenministeriums bezieht. Ein solcher Erlass existiert wohl tatächlich, auch wenn die Herausgabe mehrfach verweigert wurde, weil es sich lt. Auskunft des LZPD um ein „internes Dokument“ handele. Die Bezugnahme des LZPD auf den Erlass des Innenministeriums ist insofern perfide, als dass dieser Erlass auf den Falschinformationen beruht, die dem Inneministerium vom LZPD mitgeteilt wurden.
Diese Vorgehensweise ist kein Einzelfall. So hat das LZPD in einem gerichtlichen Verfahren vor Kurzem erst die Verweigerung der Herausgabe des Tokens mit einem Urteil des Landgerichts Arnsberg begründet. Der Urteilstext zeigt, dass dem Urteil die Falschauskunft des LZPD zugrundelag, die Weitergabe des Token sei lizenzrechtlich problematisch. Dieses bewusste Weitergabe von Falschinformationen wurde ebenfalls beim LZPD gerügt. Auch hierauf erfolgte keinerlei Reaktion.
Offensichtlich stellt es für das LZPD kein nennenswertesProblem dar, wenn Mitarbeiter Sachverständigen und Gerichten gegenüber falsche Behauptungen aufstellen. Und dies selbst dann nicht, wenn es dem LZPD aufgrund von Beschwerden bekannt ist, dass es sich um Falschaussagen handelt.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem zuvor verlinktem Beschluss nicht nur allgemein darauf hingewisen, dass ein Betroffener oder sein Anwalt zu entscheiden haben, welche Unterlagen für die Überprüfung einer Messung benötigt werden, es wurde mit einem weiteren Beschluss zudem auch klargestellt, dass ein Betroffener ein Anrecht auf den Zugang zu den Messdaten hat.
Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in der Sache IV – 3 RBs 82/22 festgestellt, dass die Verweigerung der Herausgabe der Messreihe an einen Betroffenen eine Verletzung des Verfassungsrechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren darstellt.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des OLG Düsseldorf wird von der Polizei Nordrhein-Westfalen beharrlich ignoriert. Messreihen werden von der Polizei grundsätzlich nicht an Betroffene, sondern nur auf einen förmlichen richterlichen Beschluss hin dem Gericht zur Verfügung gestellt. Diese willkürlich erscheinende Vorgehensweise wird selbst dann beibehalten, wenn das Gericht der Polizei mitteilt, dass ein solcher Beschluss nicht erlassen werde, weil die StPO einen solchen nicht vorsehe.
Das LZPD ist auch noch in anderen Punkten kreativ und hat sich noch weitere, sowohl dem Tenor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch den objektiven technischen Gegebenheiten sowie auch den technischen Unterlagen zu den Messgeräten entgegenstehende Verfügungen ausgedacht und an die Dienststellen weitergeleitet.
So wird Sachverständigen zum Beispiel untersagt, den Schlüssel von eso-Messgeräten am Display abzufotografieren. In der Gebrauchsanweisung des Messgeräts ist aber beschrieben, dass es zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Signatur der Datensätze, d.h. der Prüfung der Manipulationsfreiheit, allgemein erforderlich ist, den in den Messdatensatz integrierten Schlüssel mit dem entsprechenden Schlüssel am Messgerät zu vergleichen. Auch die Möglichkeit des Abfotografierens des Schlüssels am Display ist in der Gebrauchsanweisung beschrieben.
Gründe für das Verbot des Fotografierens sind nicht ersichtlich und werden grundsätzlich auch nicht genannt. Das LZPD entscheidet damit nicht nur entgegen den klaren Vorgaben der Gebrauchsanweisung, sondern offensichtlich erneut willkürlich. Es ist schon bedenklich, wenn die Beamten in den „Fach“abteilungen beim LZPD offenbar nicht einmal die Gebrauchsanweisungen der Messgeräte bekannt sind, auf die sich ihre Verfügungen beziehen.
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, wie ein Sachverständiger seiner Dokumentationspflicht im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens genügen soll, wenn ihm die Beschaffung der Dokumentationsgrundlage seitens der Polizei untersagt wird.
Auch bei anderen Geräten wird seitens des LZPD ein Zugriff untersagt, ohne dass dies begründet wird. Im Rahmen eines gerichtlichen Gutachtenauftrags des Sachverständigenbüros Stückmann war bereits mit der Dienststelle der Polizei ein Termin zum Auslesen des Schlüssels an einem Radarmessgerät abgesprochen worden. Nachdem das LZPD davon Kenntnis erhalten hatte, wurde der Zugriff untersagt. Auch in diesem Fall wurde die Untersagung des Zugriffs selbst auf Anfrage nicht begründet.
Eine weitere Verfügung des LZPD bezieht sich auf die nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG vorgeschriebene Aufbewahrung aller die Tätigkeiten am Messgerät betreffenden Dokumente.
Entsprechend einem im Rahmen eines Gutachtenauftrags übermittelten Schriftsatz des Verkehrskommissariats der Polizei Bielefeld existiert bzgl. der Sammlung der das Gerät betreffenden Unterlagen (normalerweise als Lebensakte oder Geräteakte bezeichnet) aktuell eine auch für Personen außerhalb der technischen und juristischen Kreise erkennbar vollkommen absurde Verfügung des LZPD. Darin wird darauf hingewiesen wird, dass es keine Vorschriften bezüglich der Form der Aufbewahrung der Dokumente gäbe. Dies ist korrekt. Hieraus wurde dann aber abgeitet und verfügt, es können keine schriftlichen Auskünfte mehr erteilt werden und es seien nur noch mündliche Auskünfte möglich. Wie man auf eine solche Idee kommen kann und was mit dieser vollkommen unsinnigen Verfügung bezweckt werden soll, bleibt das Geheinmis des LZPD.
Da aus langjähriger Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Polizei bekannt ist, dass die die Messgeräte betreffenden Dokumente beim LZPD sehr sorgfältig geführt werden, dort natürlich in schriftlicher Form vorliegen und dem Ingenieurbüro Stückmann in den letzten 10 Jahren Jahre in zig Verfahren regelmäßig zur Verfügung gestellt worden sind, stellt sich die Frage, warum dies auf einmal nicht möglich sein sollte. Auch hier verhindern die technisch sinnfreien Verfügungen des LZPD, dass ein Sachverständiger seiner Dokumentationspflicht nachkommen kann.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass ein Betroffener keine Handhabe hätte, wenn sich nachträglich herausstellt, dass von der Polizei unvollständige Auskünfte erteilt worden sind. Ist die das Messgerät betreffenden Dokumentation unvollständig und wird nachträglich eine die Messrichtigkeit zum Zeitpunkt einer Messung infrage stellende Tätigkeit bekannt, so kann dies anhand der schriftlichen Unterlagen leicht nachvollzogen werden. Wurden die das Gerät betreffende Tätigkeiten dagegen nur mündlich übermittelt, so kann jederzeit behauptet werden, die fehlenden Informationen seien mündlich vollständig übermittelt, aber nicht vollständig aufgenommen worden.
Generell ist festzustellen, dass mit den zuständigen Mitarbeitern der „Fach“abteilung des LZPD kein Austausch über die zuvor beschriebenen Problematik möglich ist, da das LZPD mehr als deutlich zum Ausdruck bringt, dass es die eigene Meinung für die einzig relevante hält.
So wird z.B. die Verweigerung der Herausgabe eines Token selbst dann noch beibehalten, wenn die Herausgabe mit einem expliziten gerichtlichen Beschluss gefordert wird. Darüber hinaus wird von der Polizei NRW auch aktuell noch behauptet, Schulungsnachweise für das Auswertepersonal würden nicht benötigt, obwohl sich aus den Ausführungen der PTB das Gegenteil ergibt und dies dem LZPD schon vor Monaten zur Kenntnis gegeben worden ist ist. Dem LZPD wurde dabei ein Schriftstück der PTB übermittelt, mit dem die PTB klargestellt hat, dass unter Bedienpersonal der Messegeräte sowohl das Mess- als auch das Auswertepersonal zu verstehen ist.
Das eigenmächtige, der Rechtsprechung widersprechende Verhalten des LZPD geht sogar soweit, dass Dienststellen angewiesen werden, im Rahmen eines Ortstermins erstellte Beweismittel in Form von Vergleichsmessdatensätzen zu löschen, ohne zuvor mit dem zuständigen Sachverständigen oder dem Beauftragenden Gericht Rücksprache zu halten.
Das für Außenstehende nicht nachzuvollziehende Verhalten des LZPD in Form der Verweigerung der Herausgabe der verschiedenen Daten und Unterlagen bzw. der Untersagung der zwangsläufig erforderlichen Zugriffe auf die Messgeräte führt in ganz NRW inzwischen regelmäßig zu Einstellungen. Offenbar stellen sich die Entscheidungsträger beim LZPD nach wie vor nicht einmal die Frage, ob es im Sinne der vielbeschworenen Verkehrssicherheit ist, wenn Verfahren allein aufgrund ihres zumindest teils willkürlich erscheinenden Verhaltens eingestellt werden.