Befundprüfung – Möglichkeiten und Grenzen

Sowohl die Physikalisch Technische Bundesanstalt PTB   als auch verschiedene Oberlandesgerichte  vertreten die Auffassung, dass eine detaillierte Überprüfung einer Einzelmessung nicht erforderlich sei. Als Argumente werden dabei die sich aus der Zulassung und Eichung ergebende hohe Zuverlässigkeit der standardisierten Messverfahren und die Möglichkeit einer Befundprüfung genannt.

Während § 39 Absatz 2 MessEV vorgibt, dass eine Befundprüfung unter Berücksichtigung der Verwendungssituaton des Messgeräts durchzuführen ist, geschieht dies bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die wenigen bisher durchgeführten Befundprüfungen von Messgeräten aus dem Bereich der Verkehrsmesstechnik erfolgten vielmehr analog der Eichung unter definierten Laborbedingungen.

So wurde z.B. von der Hessischen Eichdirektion noch im März 2021 auf eine Nachfrage hin mitgeteilt, dass die Befundprüfung des Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes der Bauart LEIVTEC XV3 „zulassungskonform nach der Eichrichtlinie“ stattfinden würde. Wird die Befundprüfung allerdings entsprechend der Eichung durchgeführt, so ist es offensichtlich, dass bei einem geeichten Messgerät keine Fehler festgestellt werden können. Eine solche Befundprüfung verfehlt ihren Zweck, da bei der Befundprüfung ja gerade festgestellt werden soll, ob das Messgerät nicht nur im Labor, sondern auch in der konkreten Verwendungsituation ordnungsgemäß funktioniert.

Eine aussagekräftige Befundprüfung würde somit bedingen, dass analog der Zulassungsuntersuchungen der PTB die effektive Geschwindigkeit des Fahrzeugs mit einer Referenz-Messanlage festgestellt und dann geprüft wird, ob das Messgerät in der möglichst exakt nachgestellten Verwendungsituation eine Geschwindigkeit ermittelt, die um nicht mehr als die Fehlergrenze von dem Messwert der Referenz-Messanlage abweicht.

Da eine solche Befundprüfung eines Geschwindigkeitsmessgeräts  bisher noch nicht durchgeführt worden ist, gibt es bei den Eichbehörden der Länder auch noch keine einheitliche Linie bezüglich der Vorgehensweise nach der Beantragung solcher Untersuchungen.

Bei keiner der Eichbehörden der Länder steht bisher eine Referenz-Messanlage zur Verfügung.  Es haben erst kürzlich Gespräche zwischen den Eichämtern und der PTB stattgefunden und die Eichämter können – wenn eine solche Befundprüfung angefordert wird – auf eine mobile Referenzmessanlage der PTB zurückgreifen

Zurzeit besteht sogar die Möglichkeit, dass eine sachgerechte Befundprüfung abgelehnt wird. Die Hessische Eichbehörde positioniert sich im Hinblick auf diese Frage beispielsweise wie folgt :„Die Hessische Eichdirektion lehnt nach Bekanntwerden dieses Sachverhaltes eine Befundprüfung der Verwendungsituation ab, da diese Prüfung nicht mit der erforderlichen gebotenen Rechtssicherheit wirksam durchgeführt werden kann.“

Die hessische Eichdirektion verweigert damit die Durchführung einer Befundprüfung in dem sich aus dem Gesetz ergebenden Umfang. Ohne die geforderte Berücksichtigung der Verwendungsituation könnten aber z.B. die in den Versuchen festgestellten Messfehler der LEIVTEC XV3-Messgeräte und eso-Einseitensensoren bei einer Befundprüfung von vornherein nicht festgestellt werden. Bei beiden Messgeräten wird die Geschwindigkeitsermittlung im Rahmen der Eichung nämlich geprüft, ohne dass die zu den Fehlmessungen führenden Sachverhalte Berücksichtigung finden.

Außerdem ist zu bedenken, dass die PTB im Rahmen ihrer nach eigener Aussage sehr umfangreichen Zulassungsversuchen  keine Fehlmessungen festgestellt hat, solche Fehlmessungen nach den Ergebnissen der unter anderen Bedingungen durchgeführten Versuche aber sehr wohl entstehen können. Es ist somit offensichtlich, dass die Bewertung einer konkreten Einzelmessung ohne Berücksichtigung der konkreten Verwendungssituation keinerlei Aussagekraft hat.

Schließlich ist generell darauf hinzuweisen, dass die Bedingungen zum Zeitpunkt einer zuvor erfolgten Messung im Rahmen der Befundprüfung niemals exakt nachgestellt werden können. Dies ist bei Messgeräten wie Handlasermessgeräten oder Messgeräten mit Drucksensoren unkritisch, stellt aber bei den mehrzielfähigen Laserscannern wie PoliScanSpeed oder Traffistar S350 ein großes Problem dar. Werden von diesen mehrzielfähigen Messgerätem gleichzeitig mehrere Fahrzeuge erfasst, dabei aber nur eine Messung dokumentiert, so kann das Bewegungsverhalten der anderen Fahrzeuge im Nachhinein nicht nachvollzogen werden. Die Frage, wie sich die gleichzeitig erfolgten, anderen Messungen auf die dokumentierte Messung ausgewirkt haben können, kann somit im Rahmen der Befundprüfung daher nicht beantwortet werden. Die Verwendungssituation kann daher verfahrensbedingt grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Anders sähe dies aus, wenn die Rohmessdaten in die Messdatensätze integriert werden. Hier ständen dann die Daten aller gleichzeitig erfolgten Messungen zur Auswertung zur Verfügung und man könnte die ordnungsgemäße Separation der Daten und deren Zuordnung zu den einzelnen Fahrzeugen ebenso prüfen wie das Zustandekommen der Messwerte an sich.
 

Ein weiteres, wesentliches Problem besteht darin, dass sehr gut dokumentierte Versuche, deren Ergebnisse auch von der PTB anerkannt worden sind, belegen, dass eine Befundprüfung u.U. die Messrichtigkeit bestätigen kann, obwohl diese bei der eigentlichen Messung nicht gegeben war. Im Rahmen dieser Versuche mit dem Messgerät LEIVTEX XV3 wurden nämlich  insgesamt 106 auswertbare Messungen  durchgeführt, trotz gleicher Bedingungen sind  aber nur bei 29 dieser Messungen Messwerte außerhalb der Verkehrsfehlergrenzen aufgetreten.

Würde mit einem solchen Messgerät eine Befundprüfung durchgeführt  und der Messwert bestätigt,  so bestände auf Basis der Ergebnisse der Versuchsergebnisse daher immer noch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass  das Messergebnis bei der tatsächlichen Messung außerhalb der Verkehrsfehlergrenze gelegen haben konnte.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass aufgrund der begrenzten Ausstattung und personellen Kapazitäten der Eichämter damit zu rechnen ist, dass sich die Verfahren erheblich in die Länge ziehen werden, wenn den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Befundprüfungen in verstärktem Umfang durchgeführt werden.

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