Bei den in Deutschland für die amtliche Verkehrsüberwachung eingesetzten Messverfahren wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass diese im Rahmen des standardisierten Messverfahrens eingesetzt werden. Liegt ein standardisiertes Messverfahren vor, so kommt in Bußgeldverfahren eine wesentliche Verfahrenserleichterung zum Tragen: der Messvorgang muss einer sachverständigen Begutachtung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung unterzogen werden.
Ein standardisiertes Messverfahren liegt dann vor, wenn die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97). Die wesentliche Grundlage für das standardisierte Messverfahren besteht also darin, dass die Messgeräte die Fehlergrenzen unter allen Bedingungen einhalten, so wie dies auch der Vorgabe des § 6 MessEG entspricht.
Seitens der Oberlandesgerichte wird durchgängig die Auffassung vertreten, die Überprüfung und Gewährleistung eines konkreten Messergebnisses könne durch die vorgeschriebene Zulassung von der einzelnen Messung auf das Messgerät vorverlagert werden. Dabei wird argumentiert, die Vorverlagerung auf das Messgerät würde durch das im gesetzlichen Mess- und Eichwesen installierte Kontroll- und Überwachungssystem ermöglicht, indem das Messgerät bei der Zulassung eingehend darauf geprüft würde, ob es stets zuverlässige Messwerte innerhalb der gesetzlichen Fehlergrenzen liefere.
Vor kurzem wurden bei verschiedenen zugelassenen und geeichten Messgeräten des Typs LEIVTEC XV3 in zwei unabhängigen Untersuchungen Fehlmessungen mit Messwerten weit außerhalb der Verkehrsfehlergrenzen festgestellt. Diese Fehlmessungen waren in alltäglichen Messsituation zustande gekommen und so eindeutig, dass der Hersteller des Messgeräts seine Kunden nach Rücksprache mit der PTB gebeten hat, das Messgerät nicht mehr für amtliche Messungen einzusetzen.
Inzwischen hat das OLG Oldenburg geurteilt, dass das Messgerät nicht zuverlässig genug sei, um ein standardisiertes Messverfahren sicherstellen zu können. Diese Meinung hat auch das OLG Celle vertreten. Die Fa. LEIVTEC hat daraufhin mitgeteilt, dass sie das Messgerät aus dem Verkehr ziehen wird. Zudem wird darauf verzichtet, die Zulassung des Nachfolgers LEIVTEC XV4 weiter zu betreiben.
Außerdem waren bereits vor einigen Jahren noch bei einer weiteren Messgerätefamilie, nämlich den Einseitensensoren der Firma eso, in seltenen Fällen bei Fahrzeugen mit LED-Licht Fehlmessungen außerhalb der Verkehrsfehlergrenzen aufgefallen. Die bisher festgestellten Fehlmessungen waren dabei generell mit einem Seitenabstand im Bereich des maximal zulässigen Abstands von 18 m verbunden. Die PTB stellt mögliche Fehlmessungen infolge LED-Lichts bis heute infrage, hat aber nach der Feststellung der ersten LED-Fehlmessungen reagiert: der seit der ersten Zulassung 2006 für beide Messgerätegenerationen eso ES3.0 und eso ES8.0 durchgängig gleiche maximale Seitenabstand von 18 m wurde auf 17 m verringert. Da der Grund für diese Maßnahme bei gleichzeitiger Leugnung des LED-Effekts nicht nachvollziehbar war, wurde bei der PTB nachgefragt. Die Erläuterung der Ursache für die technisch nicht nachvollziehbare Verringerung wurde allerdings unter Bezugnahme auf „Geschäftsgeheimnisse des Herstellers“ verweigert. Außerdem wurde gerade im Mai 2022 eine weitere LED-Fehlmessung festgestellt, bei der der Seitenabstand unter 10 m lag.
Die Fehlmessungen belegen, dass die wesentliche Voraussetzung für ein standardisiertes Messverfahren, nämlich die Einhaltung der Fehlergrenzen, durch die Zulassung eines Messgeräts entgegen der OLG-Rechtsprechung nicht in jedem Fall nachgewiesen werden kann. Die Argumentation, allein durch die Zulassung eines Messgeräts sei dessen Messsicherheit gewährleistet, ist dementsprechend nicht haltbar. Die erheblichen Fehlmessungen bei den beiden zuvor beschriebenen Messverfahren belegen zumindest aus technischer Sicht vielmehr unzweifelhaft, dass es auch bei standardisierten Messverfahren zwingend erforderlich ist, die zur Bestimmung des Messwertes herangezogenen sog. Rohmessdaten in die Datensätze zu integrieren oder eine anderweitige, technisch zuverlässige Prüfbarkeit einer Messung zu gewährleisten.
Im Augenblick wird also trotz der offensichtlichen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Konstrukts des standardisierten Messverfahrens die Notwendigkeit der Prüfbarkeit einer Einzelmessung nach wie vor verneint. Die PTB geht sogar noch einen Schritt weiter und untersagt alle Verfahren, die eine direkte Prüfbarkeit oder auch nur Plausibilisierung einer Einzelmessung ermöglichen. So wurden selbst vorbildlich transparente Messverfahren wie mit den eso-Einseitensensoren in einen nicht mehr prüfbaren Zustand überführt.