Behinderung der gutachterlichen Tätigkeit durch die Vorgaben des LZPD NRW

Die Verweigerung der Herausgabe der von Gutachtern benötigten Unterlagen/Daten durch das LZPD NRW führt in OWi-Verfahren inzwischen regelmäßig zu Einstellungen.

Mit Beginn des Jahres 2022 sind die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen auf Direktive des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) NRW dazu übergegangen, verschiedene für die Erstellung eines aussagekräftigen Gutachtens zwangsläufig erforderlichen Unterlagen/Daten nicht mehr herauszugeben. Die Herausgabe der in den letzten Jahren problemlos zugänglichen Daten/Unterlagen wird teilweise selbst dann verweigert, wenn ein konkreter gerichtlicher Beschluss vorliegt.

In einem Fall wurde z.B. dem Sachverständigen trotz Vorliegens eines diesbezüglich konkreten Gerichtsbeschlusses der Zugriff auf ein Handlaser-Messgerät verweigert, das unbedingt für die Durchführung eines Versuches benötigt wurde. Ohne diesen Versuch konnte die wesentliche Frage des Gerichts nicht beantwortet werden. Erst nach Intervention der Staatsanwaltschaft lenkte die Polizei dann doch noch ein und gewährte Zugang zu dem Messgerät.

Die Verweigerung der Herausgabe betrifft in letzter Zeit – zumindest sofern das LZPD NRW eingeschaltet wird – grundsätzlich die zum Öffnen der Datensätze in den Auswerteprogrammen erforderlichen Schlüssel (Software-Token bei PoliScanSpeed oder pk-Datei bei Messgeräten der Firma Jenoptik) und die Geräteakte.

Unabhängig von der Frage, ob die Polizei überhaupt die Ausführung eines gerichtlichen Beschlusses verweigern darf, ist das Vorgehen schon allein insofern nicht nachzuvollziehen, als dass die Begründungen technisch nicht nachzuvollziehen sind und teilweise sogar auf Unwahrheiten beruhen.

Bezüglich der zum Öffnen der Datensätze erforderlichen Schlüsseldateien bei PoliScanSpeed-Messgeräten wurde dem Ingenieurbüro Stückmann seitens der zuständigen Abteilung des LZPD NRW beispielsweise mitgeteilt, diese dürften nicht zur Verfügung gestellt werden, weil dies vom Hersteller untersagt worden sei und im Falle eines Verstoßes Konventionalstrafen drohen würden. Vom Hersteller wurde dagegen auf Nachfrage schriftlich bestätigt, dass solche vertraglichen Absprachen nicht existieren.

Außerdem hat das Ingenieurbüro Stückmann schon von verschiedenen Verkehrskommissariaten die Information erhalten, sie hätten von der LZPD NRW mitgeteilt bekommen, die Schlüsseldateien bei PoliScanSpeed könnten nicht herausgegeben werden, weil Datenschutzgründe dagegen sprächen und für die Gutachter zudem die Möglichkeit bestände, einen zeitlich begrenzten “Gutachter-Token“ bei den Eichbehörden anzufordern.

Auch hierbei handelt es sich um eine Falschinformation. Es existiert kein “Gutachter-Token“. Die bei den Eichämtern hinterlegten Token entsprechen denjenigen der Gerätebetreiber. Schon allein aus diesem Grund ist das Datenschutz-Argument nicht überzeugend. Darüber hinaus haben die Token für sich betrachtet keinerlei Funktion. Sie können allein dazu genutzt werden, um die – und nur die – mit den korrespondierenden Messgeräten erstellten Datensätze im Auswerteprogramm zu öffnen.

Die von der LZPD vertretene, auf einer ebenso wenig nachzuvollziehenden Stellungnahme der PTB fußende Auffassung, die Geräteakte könne keinen Beitrag im Hinblick auf die Bewertung einer Einzelmessung liefern, ist objektiv falsch. Die Auffassung der PTB wird ausführlich im Blogbeitrag zur Bedeutung der Geräteakte auf dieser Website beleuchtet und anhand von konkreten Beispielen widerlegt.

Die Prüfung einer Messung ist nach der Rechtssprechung des BGH auch im Rahmen des standardisierten Messverfahrens erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler im Raum stehen. Werden daher seitens eines Betroffenen oder seines Anwalts konkrete Mängel geltend gemacht, so muss sich der Tatrichter von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugen.

Wenn dies durch die Einholung eines Gutachtens geschehen soll, ist es geradezu abenteuerlich, dass Polizeibeamte den Standpunkt vertreten, sie könnten einem Sachverständigen nur diejenigen Daten/Unterlagen zur Verfügung stellen, die sie selbst für erforderlich halten und sich dabei sogar wiederholt gerichtlichen Beschlüssen widersetzen.

Durch das Verhalten der Polizei NRW wird die nach der Rechtssprechung des BGH, der aktuellen Entscheidung des BVerfG und auch der Meinung der Tatrichter erforderliche Prüfung der Messungen verhindert. Da die Verweigerungshaltung des LZPD nicht nur der Rechtssprechung widerspricht, sondern zudem auch mit nachweislich falschen und  technisch insgesamt widersinnigen Aussagen begründet worden ist, wurde Ende April 2022 Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt. Diese ist bis heute unbeantwortet. Nach einem Zwischenbescheid von Anfang August 2022 werden die Einwände von den Fachabteilungen des LZPD in Abstimmung mit dem Innenministerium geprüft.

Die offiziellen Beschwerden waren  geboten, da die aus der Verweigerungshaltung der Polizei ergebende Unmöglichkeit der Prüfung der Messung schon in mehreren OWi-Verfahren zu Einstellungen geführt hat. Unabhänigig davon, dass die Verweigerungshaltung des LZPD der Rechtssprechung des BVerG widerspricht und aus technischer Sicht geradezu abenteuerlich absurd begründet wird, sollten sich die Polizeibehörden fragen, ob es im Sinne der immer wieder ins Feld geführten Verkehrssicherheit ist, wenn Verfahren eingestellt werden.

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